Die 90-er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Die zusammengebrochene Sowjetunion. Zwei kleine Länder im Südkaukasus, die ihre Unabhängigkeit vor kurzem erlangt haben. Erschütterte Wirtschaft, schweres sozialer und politischer Hintergrund, bewaffnete Konflikte...

In dieser schwierigen Situation sieht eine kleine Gruppe von Menschen die künftige Entwicklung ihrer Länder, in beiden Ländern fast gleichzeitig, aber unabhängig voneinander, in Verbindung mit der Erziehung der jungen Generation und versucht eine Waldorfschule zu gründen.

Die Ereignisse entwickeln sich sehr schnell und bald öffnen die Waldorfschulen in Tbilisi und in Jerevan ihren ersten Schülern die Türe. Die spannende und schwierige Zeit der Selbstbehauptung beginnt. Und nun kommt die Zeit, wo die beiden Schulen einander freundschaftlich die Hand reichen.

Schwer zu sagen, wann und wo die Idee entstanden ist. Eines ist klar: Die beiden Schulen wollten in Kontakt kommen. Aber viel wichtiger ist es, das der ehrlichste und direkteste Weg der Beziehung, die Anfreundung der Schüler, gefunden wurde.

Herbst, 2011. Die Schüler aus Tbilisi fahren zum ersten mal  mit der Klassenbetreuerin zusammen nach Jerevan. Jerevan ist bereit für den Empfang der Gäste. Alles ist bis auf die kleinste Details durchdacht. Unsere Schüler wohnen bei den armenischen Schülerfamilien. Tagsüber nehmen sie am Unterrichtsprozess teil, dann besichtugen sie Jerevan und machen sich mit der Gegenwarts- und Vergangenheitsgeschichte des Landes bekannt. Der Abend ist frei. Er gehört ihnen. Die Zeit sich näher zu kommen...

Dann kommen die Schüler aus Jerevan zu Besuch. Noch ein Treffen. Weitere zusammen verbrachten Tage. Die Schulwand im Hinterhof wird bemalt. Es wird ein Konzert gegeben, wo die Schüler zusammen georgische und armenische Lieder singen...

Schon zum vierten Mal bereitet sich die 10. Klasse in diesem Jahr auf den Armenienbesuch vor. Sie fahren nach Armenien, um dort neue Freunde zu finden, unvergessliche Eindrücke zu bekommen und schließlich den Berg zu erblicken, von dem einst die weiße Taube mit dem Olivenzweig losflog.

Apropos die Bibel...

Zur „biblischen Brüderschaft“ der beiden Nationen sagen wir hier nichts mehr. Den Brief haben wir dort angefangen, wo das alte eingestürzt und zerbrochen wurde, und die Menschen vor einer Wahl standen: Entweder das Alte und Traditionelle zu bewahren, oder neue Wege zur Welt und zu sich selbst zu finden.

Und heute, wenn ich die strahlenden Gesichter der armenischen und georgischen Schüler beim Treffen und ihre mit Tränen erfüllten Augen beim Abschied sehe, wenn ich ihre zuversichtlich gesagte „Wir werden uns wiedersehen“ höre, kommen in mir die Zeilen des großen georgischen Dichters (jüdischer Herkunft), Jemal Ajiashvili, hoch:

Aber da blüht noch eine alte Pirimse* an einer Kluft,

und die Finsternis hat, so scheint’s, der Sonne den Vorrang gegeben,

und auf durch biblische Liebe erwärmten Pfaden,

schreiten Engel hin und her.

 



* Endemische Blume des Kaukasus

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